Regelmäßige Objektsicherheitsprüfungen bieten für Liegenschaftseigentümer die Chance, Haftungsrisiken zu minimieren. Eine solche Prüfung setzt das Planungs- und Berechnungsrecht für die unterschiedlichen Gewerke voraus.
Text: Thomas Mandl LL.M., Geschäftsstelle Bau
Aufgrund gesetzlicher Bestimmungen treffen Eigentümer, Vermieter und Verwalter von Liegenschaften eine Reihe von Pflichten zur Gewährleistung eines sicheren Gebäudezustandes. Aus diesem Grund sind Sicherheitsevaluierungen in zum Teil sehr unterschiedlichen Intensitäten und periodischen Überprüfungszyklen durchzuführen. Diese Sicherheitsevaluierungen der Liegenschaften können das Haftungsrisiko deutlich minimieren.
Orientierungshilfe durch ÖNORMEN B 1300 und B 1301
Die ÖNORMEN B 1300 und B 1301 liefern für diese Zwecke standardisierte Verfahrensregeln als Orientierungshilfen für regelmäßige Prüfroutinen im Rahmen von Sichtkontrollen und Begutachtungen von Gebäuden. Rechtsverbindlichkeit kommt den ÖNORMEN nicht zu, allerdings ziehen Gerichte diese bei der Beurteilung der Erfüllung von Verkehrssicherungspflichten und Sorgfaltsmaßstäben heran. Derartige baulich-technische Vorsorge- und Erhaltungspflichten, organisatorische Pflichten (zB Informationspflicht, Warnhinweise etc) sowie Kontroll- und Überwachungspflichten werden als Objektsicherheitsmaßnahmen bezeichnet. Basis für die Objektsicherheitsprüfung ist dabei der Sollzustand. Bei diesem handelt es sich um den konsensgemäßen Zustand eines Gebäudes oder einer Gesamtanlage nach Fertigstellung. Werden jedoch nach Fertigstellung sicherheitsrelevante Adaptierungen erforderlich, weil Gebäudeteile ein Baugebrechen oder einen augenscheinlich wahrnehmbaren Mangel im Sinne einer Reparaturbedürftigkeit, einer Einschränkung der Funktionsfähigkeit oder einen Mangel im Sinne einer erheblichen Personengefährdung aufweisen, sind auch diese Adaptierungen in die Beurteilung des Sollzustands einzubeziehen.
Haftung
Sogenannte Verantwortungsträger, sprich zB Liegenschaftseigentümer oder Vermieter, treffen zahlreiche (zivilrechtliche) Pflichten im Zusammenhang mit der Sicherheit des Gebäudes, für das sie die Verantwortung tragen. Kommen sie diesen Verpflichtungen nicht nach, setzen sie sich potenziellen Schadenersatzansprüchen von Mietern oder dritten Personen aus, die sich auf den Liegenschaften Verletzungen oder sonstige Schäden zuziehen. Eine regelmäßige und sorgfältig durchgeführte Objektsicherheitsprüfung dient – neben der Sicherheit des Gebäudes per se – den Verantwortungsträgern dazu, solche Haftungsansprüche abzuwehren bzw zu minimieren. Es empfiehlt sich dementsprechend die Heranziehung von Fachleuten zur Prüfung des Objekts, zur Erstellung von Fotodokumentationen und zur Dokumentation gesetzlicher Behebungs- und Absicherungsmaßnahmen.
Berufsrechtliche Perspektive
Wie bereits beschrieben, dienen Objektsicherheitsprüfungen der baulichen, technischen und organisatorischen Überprüfung von Wohngebäuden und Nicht-Wohngebäuden. Die in den ÖNORMEN beschriebenen Sicht- und Funktionsprüfungen sind dabei „durch fachlich qualifizierte Personen“ durchzuführen, wobei die ÖNORMEN offenlassen, wer als eine solche Person anzusehen ist.
Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Basis der Objektsicherheitsprüfung der – oben erwähnte – „Sollzustand“ ist, wird deutlich, dass im Rahmen der Prüfung umfassende Kenntnisse darüber nötig sind, ob Gebäudeteile in mangelfreiem Zustand bzw überhaupt vorhanden sind. Eine solche (seriöse) Objektsicherheitsprüfung, die unter anderem auch die Tragstruktur und brandabschnittsbildende Bauteile umfasst, setzt ergo das Planungs- und Berechnungsrecht für die unterschiedlichen Gewerke unabdingbar voraus.
Der Baumeister und der Ziviltechniker auf seinem jeweiligen Fachgebiet (zB für Bauwesen), zu deren Berechtigungsumfängen gem § 99 Abs 1 Z 1 und Abs 2 GewO 1994 bzw gem § 3 ZTG 2019 das Planungs- und Berechnungsrecht gehören, sind somit „fachlich qualifizierte Personen“ iSd ÖNORMEN B 1300 und B 1301. Bezüglich des Baumeistergewerbes bedeutet das im Umkehrschluss, dass der Baugewerbetreibende (dem dieses Recht vorenthalten ist) keine „fachlich qualifizierte Person“ in diesem Sinn ist und zur Objektsicherheitsprüfung nicht befugt ist. Dies schließt gem § 99 Abs 3 GewO 1994 konsequenterweise auch die Möglichkeit der Erbringung eines individuellen Befähigungsnachweises für die Tätigkeit der Objektsicherheitsprüfung aus. Ebenso zur Objektsicherheitsprüfung befugt ist der Holzbau-Meister, der hierbei allerdings auf konstruktive Holzbauten eingeschränkt ist, da auch sein Planungs- und Berechnungsrecht nur für Bauten gilt, die ihrem Wesen nach Holzkonstruktionen sind.
Hinweis: Mehr zu den ÖNORMEN B 1300 und B 1301 in: Mandl, Wer ist zur Objektsicherheitsprüfung befugt? Ein zivil- und berufsrechtlicher Zugang, bauaktuell 2021, 110 (111-113).