Österreich ist weder zubetoniert noch Europameister im Bodenverbrauch. Angesichts einer zunehmend emotional geführten Debatte mahnen die Bauinnungen zu mehr Objektivität beim Thema Bodenverbrauch. Gefragt ist eine ausgewogene Strategie, um das Lebensumfeld für die Menschen zu gestalten und gleichzeitig die natürlichen Ressourcen zu schonen.
Text: Mag. Paul Grohmann M.A., Geschäftsstelle Bau
Fotocredit: Günther Schad-Alamy Stock Foto
Der Mensch ist seit jeher bestrebt, sich durch bauliche Maßnahmen vor Naturgewalten zu schützen und sein Lebensumfeld nach seinen Vorstellungen zu gestalten. Bei der Errichtung von Bauwerken kommt es zwangsläufig zur Nutzung von natürlichen Ressourcen. Die Diskussion über das sinnvolle Ausmaß dieser Ressourcen-Nutzung hat sich in den letzten Jahren deutlich intensiviert. Insbesondere beim Bodenverbrauch kam es zuletzt zu Dramatisierungen, die wohl eher einer subjektiven Empfindung nach und nicht faktenbasiert erfolgten. Fakt ist nämlich: Österreich ist bei weitem nicht der vielzitierte „Europameister“ in der Bodenversiegelung. Fakt ist außerdem, dass in Österreich 3,5% der Staatsfläche versiegelt sind und wir damit europaweit im Mittelfeld liegen.
Das ist nur eine von mehreren Erkenntnissen einer von der Bundesinnung Bau beauftragten Studie von Andreas Kreutzer, Branchen-Experte und Gründer der Plattform www.flaechenversiegelung.at. Darauf aufbauend hat die Bundesinnung Bau zahlreiche Hintergrundgespräche geführt, um Meinungs- und Entscheidungsträgern eine objektive Grundlage für den laufenden politischen Diskurs zur Verfügung zu stellen. Dabei hat sich gezeigt, dass es zu diesem Thema großen Aufklärungsbedarf gibt und viele Politiker sowie auch Medienvertreter über unzureichend Hintergrundinformationen verfügen, um die von einzelnen Stakeholdern bewusst erzeugte Dramatik beim Thema Bodenverbrauch richtig einschätzen zu können.
Nicht jede „verbrauchte“ Fläche ist zwangsläufig „versiegelt“
Der Begriff „Bodenverbrauch“ führt oft zu falschen Schlussfolgerungen. Zum Beispiel gilt eine Parklandschaft oder auch ein Grundstück mit einem Einfamilienhaus und einer Blumenwiese zu 100 % als „verbraucht“, auch wenn in den meisten Fällen nur ein kleiner Teil des gesamten Grundstücks tatsächlich versiegelt bzw. bebaut ist. „Versiegelung“ bedeutet, dass eine undurchlässige Schicht den Boden bedeckt, „verbraucht“ bedeutet, dass eine Fläche nicht mehr für die Land- oder Forstwirtschaft zur Verfügung steht. Conclusio: Nur ein Bruchteil der gemäß Statistik verbrauchten Fläche ist tatsächlich versiegelt und kann daher nicht mehr zur Versickerung von Niederschlagswässern beitragen. Diese Differenzierung wäre aber entscheidend, um eine sachliche Diskussion über eine ausgewogene Bodenschutzstrategie führen zu können.
Die immer wieder diskutierte Obergrenze des Bodenverbrauchs von jährlich neun Quadratkilometern bzw. täglich 2,5 Hektar hätte weitreichende Konsequenzen für viele Lebensbereiche. Bei Umsetzung dieser Reduktion stünden für den Bau von u.a. Kindergärten, Schulen, Ein- und Mehrfamilienhäuser, Altersheime oder Betriebsansiedlungen um rund 80 Prozent weniger Flächen zur Verfügung als in den letzten Jahren. Dies wäre insbesondere für Gemeinden mit Bevölkerungswachstum eine nicht bewältigbare Herausforderung.
Eine sorgfältig durchdachte Bodenstrategie ist für die nachhaltige Entwicklung Österreichs von großer Bedeutung und sollte eine sinnvolle Abwägung aller in Betracht zu ziehenden Kriterien umfassen. Eine willkürlich und einseitig festgesetzte Obergrenze ist für diesen Prozess hingegen kontraproduktiv.
- Österreichs Staatsfläche entspricht jener von 11,8 Millionen Fußballfeldern, davon sind 3,5 Prozent versiegelt.
- Damit liegt Österreich EU-weit im Mittelfeld. „Spitzenreiter“ sind Holland und Belgien mit einem beinahe viermal so hohen Versiegelungsgrad. Deutschland folgt auf Platz 3 mit einem rund doppelt so hohen Versiegelungsgrad wie Österreich.
- Jährlich werden 0,021 Prozent der Gesamtfläche in Österreich neu versiegelt. Umgerechnet auf eine Badewanne mit 190 Litern Inhalt wäre das in etwa ein Stamperl (4 cl) pro Jahr.
- Es würde somit 40 Jahre dauern, um den Versiegelungsgrad bei gleichbleibender jährlicher Neuversiegelung um nur einen Prozentpunkt zu erhöhen. Realistischerweise ist jedoch davon auszugehen, dass die jährliche Neuversiegelung auch ohne Obergrenze sukzessive zurückgehen wird.
- Der Großteil des Rückgangs an landwirtschaftlicher Fläche ist nicht auf Verbauung zurückzuführen, sondern darauf, dass die Landwirte diese Flächen – aus welchen Gründen auch immer – nicht mehr aktiv als Acker- oder Weideland bewirtschaften. Dies ist u.a. auf den steigenden Hektarertrag der bewirtschafteten Flächen sowie auf den steigenden Anteil von Waldflächen zurückzuführen.