Bundesinnung Bau unterstützt bei Preissteigerungen und Lieferengpässen

Die Bundesinnung Bau unterstützt ihre Mitgliedsbetriebe durch ein Rechtsgutachten sowie Muster für mögliche Preisanpassungsklauseln bei der Bewältigung von Preissteigerungen und Lieferengpässen.

Text: Mag. Matthias Wohlgemuth, Geschäftsstelle Bau

Vor dem Hintergrund steigender Preise und einer stellenweise spürbaren Verknappung von Materialien und Vorleistungen seit Ausbruch der Corona-Krise hat die Bundesinnung Bau Univ.-Prof. Dr. Andreas Kletecka mit einem Gutachten zu den rechtlichen Konsequenzen bei laufenden Bauverträgen beauftragt, das unter www.bau.or.at/coronavirus zum Download zur Verfügung steht. 

Laut Gutachten ist die COVID-19-Pandemie mitsamt seinen Auswirkungen in Form von Preissteigerungen und Lieferengpässen als höhere Gewalt einzustufen. 

Zur weiteren rechtlichen Bewertung eines Bauvertrags ist zunächst wesentlich, ob und wenn ja, was die Vertragsparteien zur Thematik vereinbart haben und ob der Bauvertrag auf Basis der ÖNORM B 2110 oder dem ABGB abgeschlossen wurde. 

ÖNORM B 2110 als Vertragsgrundlage

Ist die ÖNORM B 2110 Vertragsgrundlage, so werden derartige Ereignisse mit ihren Auswirkungen in Punkt 7.2 der Sphäre des Auftraggebers zugeordnet. Daran ändert auch Punkt 7.2.2 nichts, der alle Dispositionen des Auftragnehmers sowie der von ihm gewählten Lieferanten und Subunternehmer in die Sphäre des Auftragnehmers zuordnet. 

Der Auftragnehmer kann auf höhere Gewalt zurückzuführende, unvorhersehbare Mehrkosten für Baumaterialen sowie Lieferengpässe im Rahmen einer Forderung nach Anpassung der Leistungsfrist und/oder des Entgelts gemäß Punkt 7.4 geltend machen.

Es entsteht kein Anspruch auf Leistung einer Vertragsstrafe gemäß Punkt 6.5.3. Bei länger als 3 Monate andauernden Behinderungen ist jeder Vertragspartner zum Rücktritt gemäß Punkt 5.8.1 Z 6) berechtigt. 

ABGB als Vertragsgrundlage

Ist lediglich das ABGB Vertragsrundlage, so ist die höhere Gewalt samt ihren Auswirkungen als Sonderfall in der neutralen Sphäre anzusiedeln und führt zu einem zeitweiligen Aussetzen der wechselseitigen vertraglichen Pflichten.

Voraussetzung dafür ist, dass sowohl das Ereignis als auch die darauf zurückzuführenden Folgen außergewöhnlich und für den Auftragnehmer trotz Anwendung jeder erdenklichen Sorgfalt weder vorhersehbar noch abwendbar sind.

Bei unerwarteten, exorbitanten Preissteigerungen ist es möglich, dass ein Fall der nachträglichen, zufälligen Unmöglichkeit nach § 1447 ABGB vorliegt, weil die Leistung für den Auftragnehmer unerschwinglich wird. Bei vom Auftragnehmer weder verschuldeten noch für ihn vorhersehbaren Mehrkosten liegt Unerschwinglichkeit jedenfalls dann vor, wenn die Vertragserfüllung ein grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bewirken würde.

Auch Lieferengpässe, die durch die COVID-19-Pandemie verursacht wurden und denen der Auftragnehmer nicht ausweichen kann, sind die Folge höherer Gewalt. Je nach Bedeutung der ausfallenden Leistung erlischt das Schuldverhältnis entweder zur Gänze oder zum Teil. Dies führt zur Rückabwicklung des Vertrages oder zur Vertragsanpassung. Da auch bei ABGB-Verträgen kein Verzug vorliegt, entsteht auch hier kein Anspruch auf Leistung einer Vertragsstrafe. 

Muster für Preisanpassungsklauseln 

Für neu abzuschließende Verträge wurden in der WKÖ unter Federführung der Bundessparte Gewerbe und Handwerk zwei Muster für mögliche Preisanpassungsklauseln ausgearbeitet.

Die Vertragsbausteine sind für den Abschluss neuer Bauverträge zwischen Unternehmern (B2B) sowohl auf Basis der ÖNORM B 2110 als auch für ABGB-Bauverträge geeignet. Es können wahlweise eine bloße Wertsicherung, veränderliche Preise (nach Gesamtleistung oder getrennt nach Leistungsteilen) oder Festpreise mit einer „Exit-Klausel“ vereinbart werden. 

Spezielle Muster für Vertragsbausteine in Verbraucherverträgen (B2C) berücksichtigen die zwingenden Vorgaben des Konsumentenschutzgesetzes (KSchG) bei der Indexierung nach einem branchenspezifischen Index. Weitergehende Informationen zu den baurelevanten Indizes sowie zur Preisumrechnung sind unter www.bau.or.at/indizes bzw. auf www.preisumrechnung.at zu finden. 

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