Diskussionsbedarf ums Gemeinwohl

Es ist nach wie vor unklar, was genau in den Geschäftskreis gemeinnütziger Bauvereinigungen fällt und was nicht. Wenn der Gesetzgeber keine Lösung findet, könnten das die Gerichte tun (müssen).

Text: Mag. Matthias Wohlgemuth, Geschäftsstelle Bau

Gemeinnützige Wohnbauträger, die aufgrund des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes (WGG) „als gemeinnützig anerkannt wurden, haben ihre Tätigkeit unmittelbar auf die Erfüllung dem Gemeinwohl dienender Aufgaben des Wohnungs- und Siedlungswesens zu richten“ (§ 1 Abs 2 WGG).

Dem Gesetz zufolge und auch nach Eigendefinition steht bei Gemeinnützigen also der Nutzen  der Gemeinschaft an erster Stelle. Um leistbaren Wohnraum zu schaffen, erhalten gemeinnützige Bauvereinigungen eine Reihe gesetzlicher – vor allem steuerlicher – Vergünstigungen. Dafür ist aber auch ihr Tätigkeitsbereich im Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz („Geschäftskreis“, § 7 WGG) genau festgelegt.

Strikte Vorgaben

Demnach sollen sie sich auf die Errichtung und Verwaltung von Wohnungen mit einer Nutzfläche von höchstens 150 Quadratmeter mit normaler Ausstattung sowie auf die Errichtung von Heimen und die mit diesen Tätigkeiten in Zusammenhang stehenden Verwaltungstätigkeiten konzentrieren. Darüber hinaus räumt ihnen das WGG noch das Recht ein, innerhalb gewisser Grenzen Geschäftsräume im Zuge der genannten Projekte zu errichten sowie Gemeinschaftseinrichtungen zu bauen, die den Bewohnern der von der Bauvereinigung errichteten oder verwalteten Wohnungen dienen. Aufgrund der rechtlichen Vorgaben ist klar, dass diese Aktivitäten gegenüber der Wohnraumschaffung strikt untergeordnet sind, also in unmittelbarem zeitlichem und räumlichem Zusammenhang mit der Errichtung von Wohnungen oder Heimen zu stehen haben und überwiegend zur Erfüllung des Bedarfs der in den neuerrichteten Wohnungen oder Heimen lebenden Wohnbevölkerung dienen müssen.

Zweifel in der Praxis

Was in der Theorie klar abgegrenzt ist, wirft in der Praxis laufend Fragen auf. Und deshalb hat laut WGG im Zweifelsfall die jeweilige Landesregierung bescheidmäßig festzustellen, ob ein geplantes Geschäft in den Anwendungsbereich des Gesetzes fällt oder nicht. Anfang März erregte ein medial kolportierter Antrag des Finanzamtes Linz, einer oberösterreichischen gemeinnützigen Bauvereinigung den Status der Gemeinnützigkeit abzuerkennen, Aufsehen. Dem Vernehmen nach, weil diese seit längerem zu viele „Nebengeschäfte“ und im Vergleich dazu zu wenig Wohnbau gemacht habe.

Und Mitte April waren es einmal mehr die „Oberösterreichischen Nachrichten“, die von einer gemeinnützigen Bauvereinigung in Oberösterreich berichteten, die sich verstärkt abseits ihres Kerngeschäfts – der Schaffung von Wohnraum – betätigen will. Zumindest medial wird das so dargestellt, als wäre die betreffende Bauvereinigung auf der Suche nach „Ersatz“, weil das „Geschäftsfeld Bau von Alten- und Pflegeheimen“ langsam wegbricht.

Eine praktikable Regelung ist notwendig

Ob gemeinnützige Bauvereinigungen ihren Tätigkeitsbereich lediglich im Einzelfall überschreiten oder gleich ein Geschäftsmodell daraus machen, ist letztlich unerheblich: Eine klare und praktikable Lösung muss her. Wenn der Gesetzgeber dies nicht schafft, werden es früher oder später die Gerichte tun.

Kommentar

Gemeinnützige bemächtigen sich gewerblicher Märkte

Gemeinnützige Bauvereinigungen wurden für den sozialen Wohnbau geschaffen und erfüllen damit eine wichtige Aufgabe – die Befriedigung des Grundbedürfnisses Wohnen. Dazu wurden ihnen erhebliche Privilegien eingeräumt (sie unterliegen weder dem Vergabegesetz noch der Gewerbeordnung und sind weiters von der Körperschaftssteuer befreit). Den Geschäftskreis der Gemeinnützigen Bauvereinigungen regelt das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, das zwischen Hauptgeschäften (Errichtung, Verwaltung und Sanierung von Wohnungen), Nebengeschäften (Baubetreuung, Geschäftsräume in Wohnbauten, Garagen und Gemeinschaftseinrichtungen) sowie konnexen Zusatzgeschäften (das sind andere, im Rahmen ordnungsgemäßer Wirtschaftsführung notwendige Geschäfte mit Zustimmung der Landesregierung) unterscheidet. Neben- und Zusatzgeschäfte müssen im zeitlichen und räumlichen Zusammenhang eines Bauvorhabens stehen und dem sozialen Wohnbau strikt untergeordnet sein. Der Gesetzgeber wollte so den sozialen Wohnbau fördern. Letzterer wird durch den Wohnbauförderungsbeitrag (ein Prozent der Bruttolöhne, je zur Hälfte zu entrichten von Arbeitgebern und -nehmern) finanziert.

Die so privilegierten Gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaften greifen nun aber nach dem gesamten öffentlichen Baumarkt und errichten Gemeindezentren, Kindergärten, Schulen, Turnhallen, Feuerwehr- und Rettungshäuser, Ärztehäuser und Laborgebäude und sogar Hubschrauberlandeplätze (!) – alles Bauwerke, die mit dem Wohnbau absolut nichts zu tun haben. Dieses Bauvolumen fehlt den gewerblichen Bauunternehmen und -dienstleistern, die den Großteil an Steuern und Abgaben zahlen und in den Regionen die Wirtschaft, Arbeitsplätze sowie die Berufsausbildung aufrechterhalten. Ich appelliere daher an die Verantwortlichen, diese Grenzüberschreitungen einzustellen und die gewerbliche Bauwirtschaft in ihrer ordnungsgemäßen Wirtschaftsführung nicht weiter zu schädigen.

Bmst. Ing. Johann Jastrinsky

Landesinnungsmeister Salzburg

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